Alter! Dein Ernst?

Ihr wisst ja gar nicht, wie oft ich mich online auf meine Finger setze und nichts schreibe. Oder, die andere Variante, wie oft ich was schreibe und dann wieder lösche. Ganz einfach weil es so, so oft den Aufwand nicht wert ist.

Aber gelegentlich kreuzt ein Take den eigenen Weg, da denkt man dann: Nee, das ist so dämlich, das ignoriere ich nicht einmal!

Wo fang ich an?
Alter, ehrlich, das ist so bescheuert.

Okay, kennt ihr einen Nils Schniederjann?
Nein?
Ich bisher auch nicht. Der Herr ist Journalist und sehr besorgt (ich auch Nils).
Genaugenommen über die vielen jungen Männer, die nicht mehr lesen und dafür aber AfD wählen.

(Da sind wir uns einig. Und es sollte sowieso jeder lesen.)

Bis dahin so weit, so gut. Aber dann wirft Nils Äpfel, Birnen, den ganzen Rest des Obstkorbs und ein paar Brokkoli zusammen und was dann dabei herauskommt ist im Prinzip auf ‚Junge Männer lesen nicht mehr, weil es zu viele Frauenbücher gibt‘ zusammenzukürzen.

HAHAHAHAHAHAHAHAHAHA … lufthol … HAHAHAHAHAHAHAHA

Ja, nee, ist klar.
Kennt man, die ganze Literarturgeschichte nur voll von Frauenthemen, Frauenbüchern, Frauenschreibern – die armen Männer mussten sich früher vorm Internet, ihre Podcasts per berittenen Kurier zuschicken – sie hatten ja nichts!

Alter.

Keine Ahnung, wie das bei euch früher war, aber für Mädchen und Frauen war es schon immer ganz ’normal‘ sich mit den (männlichen) Helden in (Männer)Büchern zu identifizieren. (Gab ja nur sehr wenige Bücher, die mal *unsere* Realität abgebildet hätten, ne.)

Da waren wir eben ‚mitgedacht‘, denn Bücher sind Bücher und die sind von Männern und das ist die normale Ordnung der Welt. Frauenbücher sind die Abweichung, die man extra benennen muss, deshalb gibt es den (abfälligen) Begriff Frauenbücher überhaupt.

Was Frauen schreiben und lesen ist halt irgendwie minderwertig, nicht so richtig Literatur, nicht so richtig wichtig für andere – richtige – Menschen, ähm, also Männer halt. Und wie man weiß, kann kein Junge und kein Mann ein Frauenbuch lesen. Instanter Penistod. Supergefährlich, deswegen muss das in der Literatur alles streng und gut erkennbar gegendert sein.

Ein paar Zahlen übrigens:

Männliche Bestseller-Autoren haben 55% männliche und 45% weibliche Leser*innen.
Bestseller-Autorinnen: 19% Männer, 81% Frauen.
(Quelle: „The gender gap in reading: Boy meets book, boy loses book, boy never gets book back“ (2021)

Das Literaturgeschäft war und ist immer noch männlich dominiert. (Lustigerweise, obwohl Frauen die Mehrheit der Leser stellen.) Da ist es schon eine ganz schön steile Aussage, den Frauen die Schuld daran zu geben, dass Männer nicht lesen. Die Literaturbranche muss wieder mehr auf Männer achten.

Nee. Ist klar.
Wir Frauen sind aber in der letzten Zeit auch schon ganz schön frech geworden, oder?
Ich geb’s ja zu. Wir sind nicht nur damit zufrieden, dass wir wählen dürfen und arbeiten dürfen, ohne unseren Mann um Erlaubnis zu fragen, nein, jetzt wollen wir uns auch noch in Büchern und Filmen wiederfinden.

Ganz klar, dass da kein Platz mehr ist, um Männer und ihre Probleme abzubilden.
Alle diese wichtigen Bücher von früher (die es Nils‘ Aussage nach einst im Goldenen Zeitalter der Männerbücher gab), haben wir versteckt. So nämlich!

Aber … vielleicht bin ich unfair?
Und natürlich viel zu emotional, ich Dummchen, Frau halt, sorry.
Viellicht glaubt Nils *wirklich*, dass man einem Incel AfD Wähler nur das richtige Buch geben muss und er lässt den Andrew Tate Podcast aus, legt das Handy weg, findet sich und seine Gefühle dargestellt und verstanden und wird gerettet.

Das würde ich mir auch wünschen. Ehrlich. Das wäre toll. Aber das ist Bullshit.
Wir haben so viele gesellschaftliche Probleme und es brennt an allen Ecken, da wäre es wirklich, wirklich schön, wenn man (egal um wie viele Ecken) nicht den Frauen die Schuld an einem so komplexen Problem geben würde.

Wär vielleicht sogar mal ein Anfang?
Die eigene Sicht bisschen ändern? Offenbar hat hier jemand (Nils, ich meine Nils) das Gefühl, dass Frauen überrepräsentiert sind. Erinnert mich an diesen Test mit der Redezeit in der Vorlesung? Wenn Frauen 30% der Zeit gesprochen haben, hatten die anwesenden Männer schon das Gefühl, sie hätten die Diskussion dominiert.

Just saying.

Eigentlich hätte ich noch mehr Gift&Galle ™ zu spucken, hab den Text hier auch zweimal entschärft und so, weil ich immer noch viel zu nett bin, eigentlich. Und jetzt ist auch mal gut.

Lest, was ihr wollt, Baby Birds, und habt Spaß dabei.

4 thoughts on “Alter! Dein Ernst?”

  1. Das erinnert mich daran, als mein Schwager meinte, sein armer Sohn habe es ja sooo schwer, weil er (bis damals) nur 16 Jahre Merkel erlebt hätte und keinen männlichen Bundeskanzler (der Ärmste!) Und als ich meinte, damit müsse er klarkommen (nach dem Hinweis, dass sowas für weibliche Teenager jahrzehntelang normal war), lachte er, als ob ich was ganz Krasses gesagt hätte 😉

    1. Wenn du dein Leben lang nur dein Geschlecht repräsentiert siehst, dann ist so eine Frau, die da plötzlich auftaucht, natürlich extrem verstörend, denn in den Köpfen dieser Leute ist das Männliche die Norm und Frauen sind die Abweichung. Das ist gesellschaftlich ja auch ganz tief eingedrungen. Hat schon einen Grund, warum Medikamente nicht an Frauen getestet werden, wir versauen mit unseren albernen Hormonen die Messungen. Also werden wir alle medikamentiert, als wären wir ein junger, gesunder 20+ Mann. Was soll schon schiefgehen?

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